Grundlagen Objektiv

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Kameras haben entweder ein Objektiv mit fester oder mit variablen Brennweiten verbaut, oder man kann die Objektive sogar auswechseln. Zwei wichtige Größen, die Objektive beschreiben sind die größte mögliche Blende und die Brennweite. Die Blende haben wir schon besprochen, also starten wir mit der Brennweite.

Begriff der Brennweite

Vielleicht kennst Du ein Brennglas. Das ist eine Sammellinse (zB eine Lupe), mit der man Sonnenstrahlen so bündeln kann, dass man damit Papier udgl entzünden kann. Der Abstand von der Linse zum Punkt wo es am heißesten wird, das ist die Brennweite (Abbildung 1):

Abbildung 1: Brennweite f

Später werden wir sehen, dass die Brennweite von der Wellenlänge des Lichts abhängt, also der Lichtfarbe. Außerdem hängt die Brennweite ab vom Glas der Linse (manche Gläser brechen das Licht stärker als andere) und von ihrem Schliff, ihrer Wölbung.

Galilei, Kepler und Co

Anfang des 17 Jhdt. wurden in Europa Fernrohre entwickelt, die aus zwei Linsen in einem Rohr bestehen. Eine Linse beim beobachteten Objekt, diese heißt Objektiv (ja, wirklich), und eine Linse beim Auge, diese Linse heißt Okular, also augenseitig.

Dir ist sicher aufgefallen, dass ich hier den Begriff „Objektiv“ anders verwende, als man das normalerweise tut. Wenn Du so willst hat jedes Linsenobjektiv ein Objektiv 🙂 . Ab sofort, und um die Verwirrung klein zu halten, verwende ich den Begriff Frontlinse wenn ich die objekt-seitige Linse meine.

Beide damals entstandenen Fernrohr-Typen hatten als Frontlinse eine Sammellinse, das Galilei-Fernrohr eine bi-konvexe (siehe Abbildung 2), das Kepler-Fernrohr eine plan-konvexe.

Das Okular war in beiden Modellen verschiebbar und dient so dem Scharfstellen des von der Frontlinse erzeugten vergrößerten Bildes. Beim Galilei-Fernrohr war das Okular eine Zerstreuungslinse (bi-konkav), beim Kepler-Fernrohr eine Sammellinse (bi-konvex).

Damit waren schon damals wesentliche Funktion eines Foto-Objektives vorhanden: Bildwinkelveränderung (in dem Fall Vergrößerung) und Scharfstellen.

Abbildung 2: Linsenarten

Wellenlängenabhängigkeit der Brechung und chromatische Aberration

Vielleicht hast Du schon einmal Sonnenlicht durch ein Prisma angesehen. Zumindest hast Du aber sicher schon einen Regenbogen gesehen.

Damit weißt Du dann auch, oder zumindest kannst Du es Dir dann vorstellen, dass die Brechung (also die Ablenkung des Lichts beim Durchgang von einem optischen Medium in ein anderes, zB Luft-Glas oder Glas-Luft) des Lichts wellenlängenabhängig ist. Oder anders gesagt, nicht jede Farbe des Regenbogens wird gleich stark abgelenkt durch Glas (oder Wassertropfen).

Abbildung 3: Lichtbrechung in einem Glasprisma

Dieser Effekt führt dazu, dass es bei der Fotografie zu unerwünschten Farbrändern kommen kann, diesen Fehler nennt man chromatische Aberration (CA) oder auch Farbsaum.

Aufbau eines Foto-Objektivs

Moderne Objektive sind aufwendig mit Computern berechnet, bevor sie hergestellt werden. Fehler, wie die oben besprochene CA werden einerseits optisch korrigiert, andererseits zusätzlich auch digital, also elektronisch.

Die elektronischen Korrekturen (nicht nur für die CA, auch für anderes wie Randabdunkelung, Verzeichnungen, etc. – wir kommen noch dazu) passieren in der Regel schon bei der Erstellung der RAW-Dateien im Fotoapparat (siehe Grundlagen Sensor).

Die Kamera weiß in der Regel bei modernen Systemen, welches Objektiv gerade an ihr steckt. Daher kann sie auch die digitalen Korrekturen mit den optischen Korrekturen des jeweiligen Objektivs im Bildprozessor optimal kombinieren.

Die optischen Korrekturen erfolgen durch den Einsatz unterschiedlicher Glassorten und der Kombination verschiedenster Linsen und Linsengruppen.

Abbildung 4: Schnitt durch ein Objektiv

In der Abbildung 4 sehen wir die Skizze eines aufgeschnittenen Objektivs relativ aufwendiger Bauart. Recht weit links erkennen wir die Blende. Ganz links ist die Frontlinse, rechts der Anschluss für die Kamera.

Wenn Linsen untrennbar mit anderen Linsen zusammengefasst werden (z.B. durch Verkleben), dann nennt man das eine Linsengruppe, oder kurz Gruppe. Ein anderer Name dafür ist Glied.

Fokussierung – rein mechanisch oder „by wire“

Bei Objektiven mit fixer Brennweite („Festbrennweite“) gibt es einen Stellring zum Fokussieren. Bei Zoomobjektiven, also Objektiven, die variable Brennweite haben, gibt es meistens einen zweiten zum Einstellen der Brennweite.

Abbildung 5: Stellring zum Fokussieren (Scharfstellen)

Viele moderne Autofokus-Objektive werden auch bei manueller Fokussierung nicht rein mechanisch fokussiert, sondern mittels elektronisch gesteuertem Schrittmotor. Dieser Schrittmotor wird mit dem Einstellring angesteuert. Man nennt das „by wire“, in Anlehnung an zB „fly-by-wire“ aus der Flugzeugindustrie.

Brennweite, Perspektive und Schärfentiefe

In Abbildung 6 siehst Du drei Portraits derselben Person, die mit unterschiedlichen Brennweiten (und gleicher Blende) aufgenommen wurden.

Die Person blieb dabei immer an derselben Stelle stehen. Der Fotograf hat, je nach Brennweite, die Entfernung so gewählt, dass der Kopf der Person immer (ungefähr) gleich groß bleibt. Er hat also die Perspektive verändert, denn er hat den Standort geändert (und nur so kann man die Perspektive verändern).

Abbildung 6: Wirkung unterschiedlicher Brennweiten

Daraus folgt unter anderem, dass man sich bei Portraits die Brennweite gut überlegen sollte.

Schau Dir die Abbildung 6 nochmal an in Hinblick auf die Schärfentiefe, die wir auch schon in Abbildung 3 beim Sensor besprochen haben. Der Baum im Hintergrund wird bei längeren Brennweiten deutlich unschärfer, obwohl die Distanz (zur Person, aber damit auch) zum Baum vergrößert wurde. Längere Brennweite hilft also beim Freistellen (optisch Abheben) des Motivs vom Hintergrund. Das ist in Abbildung 7 nochmal dargestellt.

Abbildung 7: Brennweite wirkt auf „Verzerrung“ und Schärfentiefe

Bildwinkel und Brennweite

Wir wissen, dass dem Objektiv und dessen Brennweite, die Sensorgröße herzlich egal ist. Die Sensorgröße limitiert nur, welche Lichtstrahlen auf ihm noch auftreffen oder schon daran vorbeigehen und wo anders als am Sensor aufprallen.

Pro Brennweite gibt es also einen Maximalwinkel, der noch am Sensor abgebildet werden kann. D.h. unter diesem Winkel eintreffende Lichtstrahlen, treffen gerade noch am Sensor auf und gehen nicht daran vorbei. Eigentlich gibt es drei Maximalwinkel, einen für die Höhe, einen für die Breite und einen für die Diagonale des Sensors.

Abbildung 8: Maximaler Bildwinkel (nicht dargestellt: diagonal)

Gemessen wird dieser Winkel (werden diese Winkel) vom Zentrum der Eintrittspupille (siehe auch im Teil über die Blende). Wer es wissen möchte: Praktisch ermitteln lässt sich die Lage dieses Zentrums der Eintrittspupille zB mit einem sogenannten „Nodalpunktadapter“ wie er in der Panoramafotografie verwendet wird. Dass mit einem Nodalpunktadapter die Lage der Eintrittspupille und nicht einer der Nodalpunkte ermittelt wird, behandeln wir hier nicht weiter 🙂 . Es ist für uns auch egal, das Zentrum der Eintrittspupille befindet sich irgendwo entlang der optischen „Mittellinie“ im Objektiv.

Abbildung 9: Bildwinkel („Field of View“ – FOV) und Brennweite

Wenn Du Dir die Abbildung 9 ansiehst, dann wirst Du vielleicht bemerken, dass der diagonale Bildwinkel beim MFT-Sensor bei der Brennweite f recht genau dem diagonalen Bildwinkel beim KB-Sensor bei der Brennweite 2 x f entspricht. Ich nehme an, dass ist der Grund für ganz viele Äquivalenzdiskussionen über Sensorformate.

Eine praktische Anwendung dieser Tabelle findest Du auf der Rückseite des Papierbelichtungsmessers.

Brennweiten vergleichen

Wähle Dir aus den beiden Ansichten die Brennweiten, die Du vergleichen möchtest. Du kannst entweder mit den Punkten unter den Bildern navigieren oder mit den Pfeilen am linken und rechten Bildrand der Bilder (oder, je nach Gerät, auch wischen).

Abbildung 10: Vergleich von Brennweiten (einen weiteren Vergleich findest Du unter https://www.smile.pics/focal-length-mft/)

Übernommen wurden die Brennweitenangaben aus den EXIF-Daten der Aufnahmen (diese werden von der Kamera automatisch in die Bilddatei geschrieben, mehr darüber zB hier). Daher können in der Praxis auch visuell leicht unterschiedlich wirkende Bilder die gleichen Brennweitenangaben haben (siehe auch hier – mehr Brennweitenvergleiche) und es entstehen „krumme“ Zahlen wie hier bei den größeren Brennweiten.

Sollte einmal die Brennweite nicht kurz genug sein und nach hinten für größeren Abstand zu wenig Platz, dann kann es helfen, mehrere Bilder überlappend zu fotografieren und dann in einer Software zusammenzurechnen (siehe auch unter Panoramen im „Workflow„).

Verzeichnung, Vignettierung und Co

Neben dem weiter oben erwähnten optischen Fehler der chromatischen Aberration (Farbsäume), die durch wellenlängenabhängige (=farbabhängige) Brechung entsteht, gibt es auch andere typische Fehler.

ZB die Verzeichnung (ein Art „Verzerrung“) in Abbildung 11

Abbildung 11: Tonnen- und kissenförmige Verzeichnung

und die Randabdunkelung oder Vignettierung in Abbildung 12

Abbildung 12: Vignettierung, d.h. Abdunkelung am Rand, (und kissenförmige Verzeichnung) für den Bildausschnitt eines KB- und eines MFT-Sensors

Alle drei genannten Fehler, die chromatische Aberration, die Verzeichnung und die Vignettierung sind umso schwerer in den Griff zu bekommen, je weiter weg man sich vom optischen Zentrum befindet.

Alle drei genannten Fehler werden bei modernen Systemen optisch und zusätzlich elektronisch (im Bildprozessor, vor der RAW- oder JPEG-Erstellung) korrigiert.

„Normalbrennweite“ und menschliches Auge

In der Fotografie werden Objektive mit einem diagonalen Bildwinkel von rund 47° als Normalbrennweiten bezeichnet ( 50mm Brennweite bei KB-Sensor, 25mm bei MFT,…).

Objektive mit größerem Bildwinkel nennt man Weitwinkelobjektive, Objektive mit engerem Bildwinkel Teleobjektive.

Oft wird behauptet, dass die 47° (diagonaler Blickwinkel) jenem des menschlichen Auges entsprechen würde. Ob das stimmt, weiß ich nicht und es ist wahrscheinlich auch gar nicht so leicht, das festzustellen.

Zumindest die Gesichtsfeldgrenzen (also der Bereich, in dem wir Menschen etwas wahrnehmen können) sind weiter als die 47°. Für ein Auge, die meisten von uns haben ja zwei Augen, ist die Grenze schläfenwärts etwa 90°, in die anderen drei Richtungen, also nach oben, nach unten und nasenwärts etwa 60°. Das wären pro Auge etwa 150° horizontaler Wahrnehmungswinkel und etwa 120° vertikaler Wahrnehmungswinkel. Mit beiden Augen gemeinsam haben wir einen horizontalen Wahrnehmungswinkel von etwa 190°. Scharf ist vom Wahrnehmungswinkel allerdings nur ein kleiner Teil.

Egal, mir ging es eigentlich nur darum warum Normalbrennweiten „normal“ sind. Ich weiß es nicht.

zurück: Grundlagen Blende

Wenn Du weiterlesen möchtest, dann würde ich mit dem Papierbelichtungsmesser weiter machen. Das hat zumindest Potential praktisch zu sein und Du kannst Dir selber einen Belichtungsmesser basteln.

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